URA fragt nach – Fiona zu Bedingungen beim FSJ

Unser neues Format “URA fragt nach…” geht hiermit in die erste Runde. Mit einem Text, den uns eine FSJ Leistende Person aus Sachsen zugesendet hat, wollen wir eure Aufmerksamkeit auf ihre Situation lenken und genau hin hören. Viel wurde in der Pandemie über die Wichtigkeit von Pfelegekräften geredet, doch Applaus statt Lohnerhöhungen oder Verbesserungen der Arbeitsbedingungen war Alles,  was diejenigen die sich um die Hilfsbedürftigen in unserer Gesellschaft kümmern, bekamen. Ihre eigene Gesundheit wird dabei nicht nur durch Corona belastet, sondern durch enorm gestiegenen Arbeitsdruck. Doch lest selbst, was uns Fiona zu sagen hat:

Hallo mein Name ist Fiona. Ich habe mich nach meinem Abitur dazu entschlossen, ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) zu beginnen und danach zu studieren. Derzeit arbeite ich in einer Wohneinrichtung, die zur Behindertenhilfe zählt. Ich arbeite mit Menschen zusammen, welche in diesem Haus wohnen, da sie oftmals zu krank sind um allein zu leben und unterstütze sie in ihrem Alltag.

Ich habe mein FSJ im späten Sommer begonnen und habe somit die erste Corona Welle auf Arbeit nicht miterlebt. Dennoch hat sich auch bei uns einiges verändert. Auch wir haben Maskenpflicht auf Arbeit, teilweise auch mit FFP2, was sich nach 8 Stunden aufjedenfall bemerkbar macht. Außerdem müssen wir getrennt Pause machen, um das Infektionsrisiko so gering wie möglich zu halten. Darunter leidet auch ein wenig das „familiäre“ Verhältnis unter uns KollegInnen. Doch auch das Verhältnis zu den BewohnerInnen des Heims leidet darunter. Sie sehen uns BetreuerInnen den ganzen Tag nur mit Maske und ohne Lächeln. Auch eine unterstützende Umarmung ist nicht wirklich Infektionsschutz gemäß. Wir gehen in der Wohnstätte im wahrsten Sinne des Wortes auf Abstand. Des Weiteren verfügen auch wir auf Arbeit über Schnelltest, welche wir nach belieben verwenden können, diese kamen aber auch erst recht später in ausreichenden Mengen bei uns an. Ich denke die größte staatliche Maßnahme waren die Corona Prämien. Ich als FSJ-lerin kann von dieser Prämie nur träumen, gesehen habe ich von diesem Geld noch nichts und werde es auch sicherlich nicht mehr. Andere Einrichtungen dagegen haben das Geld bekommen. Nach welchem Prinzip die Prämien verteilt wurden, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Eigentlich sollte jede Einrichtung, welche sich mit der Pflege von Menschen beschäftigt, diese Anerkennung bekommen. Auch wenn diese einmalige Zahlung nur ein kleiner Tropfen auf einem viel zu heißen Stein ist. Doch wenn wir ehrlich sind reicht kein Applaus, kein Geld und auch keine Plätzchenlieferung von Scheuer persönlich, um den Menschen die Anerkennung zu geben, die sie verdient haben. Statt einer einmaligen Zahlung, die wie oben schon geschrieben nicht einmal jede pflegende Person erhalten hat, wäre es sinnvoller, das Grundeinkommen in diesem Berufsfeld anzuheben und so den Beruf attraktiver zu machen. Ich in meinem FSJ bekomme 2,50 Euro Stundenlohn, was nun wirklich nicht wertschätzend ist. Das macht 400 Euro im Monat, wobei das schon eine Erhöhung darstellt. Bis zum letzten Jahr lag der Stundenlohn noch unter 2 Euro und bei 300 Euro im Monat.

Ein großes Problem sehe ich darin, dass zu wenig junge Menschen diesen Beruf noch erlernen wollen, wer will es ihnen verübeln: schlechte Bezahlung, arbeiten bis zur physischen sowohl auch psychischen Erschöpfung sowie eine Menge Überstunden. Natürlich ist da das Konzept eines freiwilligen sozialen Jahres ein guter Anfang, doch selbst hier wird wenig Spielraum gelassen. Viele der Freiwilligen brechen schon vorher ab oder gehen danach andere Wege, wie zum Beispiel mit einem Studium. Und über die Bezahlung im FSJ, fernab von jedem Mindestlohn lohnt es sich fast gar nicht zu sprechen. Ich sehe viele Möglichkeiten, den Beruf in der Pflege attraktiver zu gestalten, dennoch setzt dies ein Anstieg von Pflegekräften voraus. Schon allein im Hinblick auf die Arbeitszeiten, kann bzw. muss man einiges verbesser. 7-10 Tage Schichten sind vollkommen normal, auch im FSJ. Nun kann man sich durchaus vorstellen, wie unfassbar anstrengend dies ist und wie von Tag zu Tag kontinuierlich die Leistungskapazität abnimmt. Gerade bei jungen Menschen, die dieses Pensum überhaupt nicht gewohnt sind. Ebenfalls ein großes Problem sehe ich darin, dass Pflegekräfte nicht wirklich in der Lage sind, für sich bessere Bedingungen zu verhandeln, bzw. nicht wirklich über eine Plattform verfügen, um Druck zu machen. Natürlich gibt es auch im Pflegebereich Gewerkschaften, die sich für bessere Arbeitsbedingungen einsetzen, doch auch das hat, wenn man sich aktuelle Geschehnisse anschaut, in der Vergangenheit nicht viel gebracht. Eine Pflegekraft hat auch nicht die Möglichkeit zu streiken, denn es wird ja vorausgesetzt, dass wir arbeiten, es ist ja unser Job.

Ich hoffe, dass durch Corona ein Umdenken stattfindet. Während der Krise wurde bewiesen, auf wen es ankommt und wie systemrelevant unsere Arbeit ist. Ich hoffe, dass der Staat in der Krise versucht uns zu unterstützen statt Konzerne mit Milliardenstützen zu retten. Natürlich muss in der Pandemie darauf gesetzt werden, so viele Arbeitsplätze wie möglich zu retten und Menschen nicht allein zu lassen. Doch warum sind Arbeitsplätze in der Wirtschaft wichtiger als im Gesundheitssektor? 
Ich bin ziemlich froh, dass ich in Zeiten von Corona „nur“ in einem Heim arbeiten muss und nicht auf Stationen im Krankenhaus. Der Austausch mit den anderen FSJ-lerInnen, zeigt mir jedes mal wieder, wie kräftezehrend diese Arbeit auch für uns ist. Wir sind kein ausgebildetes Pflegepersonal und dennoch werden wir gerade in diesen Zeiten vollkommen eingebunden. Auch ich springe manchmal für KollegInnen ein, egal ob an Feiertagen und Wochenenden (ohne Feiertag oder Wochenend Zuschlag).Viele Freiwillige kommen gerade frisch aus der Schule und erleben dieses ganze Leid mit, sehen Menschen die im sterben liegen und Menschen die schon von uns gegangen sind. Das geht an niemanden spurlos vorbei und wenn das einzige was uns helfen soll, Plätzchen und Applaus sind, dann werden bald ganz viele Pflegekräfte nicht mehr in der Lage sein können, zu arbeiten.

Wir sollten anfangen, solidarisch zu sein. Solidarisch mit den Menschen, die an der vordersten Front stehen müssen und sich jedem Tag der Gefahr aussetzen müssen. Aber auch solidarisch mit den Menschen, die Zuhause Beruf und Kinderziehung rocken müssen. Solidarisch mit denen, die ihren Job gerade nicht ausüben können. Wir müssen gegenseitig auf uns achten und Rücksicht nehmen. Die Pandemie bringt viele Probleme mit sich und oftmals wird, gerade hier in Sachsen, zu langsam gehandelt. Doch wir dürfen nicht vergessen, dass es eine globale Pandemie ist, für die es keinen Handlungsleitfaden gibt. Und ja, auch ich finde Maske tragen anstrengend. Aber es muss sein, zum Schutze aller! Lasst uns gemeinsam noch ein paar Monate durchhalten. 


Alle Beiträge zur Reihe seht ihr mit Click auf das Bild

You may also like...

1 Response

  1. nunu says:

    “Ich arbeite mit Menschen zusammen, welche in diesem Haus wohnen, da sie oftmals zu krank sind um allein zu leben und unterstütze sie in ihrem Alltag.”
    Menschen mit Behinderung haben keine Krankheit und sind nicht krank. Sie haben eine Behinderung / Beeinträchtigung. Krankheit ist etwas völlig anderes.