Bericht zu Blockgas in Wien

Seit einigen Jahren richtet OMV (Österreichische Mineralöl-Verarbeitungsgesellschaft) die “Europäische Gaskonferenz” in Wien aus. Dieses Vernetzungstreffen bietet multinationalen Gaskonzernen, internationalen Kapitalgeberinnen und europäischen Politikerinnen die Möglichkeit, hinter verschlossenen Türen Entscheidungen über die globalen Energieinfrastrukturen der nächsten Jahrzehnte zu fällen. Neben Vorträgen der einflussreichsten Personen der fossilen Energielobby, findet eine Vielzahl von “Hinterzimmergesprächen” statt, welche sich die Teilnehmenden für mehrere tausend Euro kaufen können. Damit dieses grundlegend undemokratisch und antisoziale Event nicht wieder still und heimlich ablaufen kann, hat sich ein spektrenübergreifendes Bündnis gegründet, “Blockgas”. Dieses Bündnis hat sich zum Ziel gemacht, das Vorgehen der “Europäische Gaskonferenz” in die Öffentlichkeit zu tragen, zu kritisieren und Gegenentwürfe vorzustellen.

Den Auftakt der Protesttage in Wien machte die “Power to the People Konferenz”. Vom 24.03. bis 26.03 gab es unzählige Vorträge, Workshops und Diskussionen rund um die Themen Klimagerechtigkeit, Energiekrise, Lebenskostenkrise, Inflation, Militarisierung und Krieg. Die verschiedenen Programmpunkte waren über die ganze Stadt verteilt. An der Themenvielfalt der Programmpunkte konnte Mensch auch die Menge der teilnehmenden Organisationen bemerken. Ob “Feministische Perspektiven auf Wohnen, Teuerung und Prekariat”, “Der Extraktivismus in Aba Yala am Beispiel von Ecuador Kolumbien und Chile” oder ein “Historischer Stadtteilspaziergang zum Sandleitenhof und der kampflosen Befreiung von Ottakring 1945”, thematisch sollte für alle etwas dabei gewesen sein.
Abseits des regen Austauschs auf der Konferenz konnten wir es uns natürlich nicht nehmen lassen auch mal eine touristischen Blick auf die Stadt Wien zu werfen. Nachdem nun die Stadt beäugt, die Küfabehälter geleert und die ein oder andere Pizza des Dresdner Pizzakollektivs verspeist wurde, neigte sich auch die “Power to the People Konferenz” dem Ende zu.

Doch damit sollten unsere Tage in Wien noch nicht zu ende sein, denn vom 26.03. bis 29.03. trafen sich europäische Gaskonzerne, Finanzgesellschaften und Politiker*innen im Wiener Marriot Hotel, um neue Mega-Gasprojekte zu besprechen. Dies sollte natürlich nicht widerspruchslos passieren. Das Bündnis “Blockgas” organisierte Aktionstage rund um die “Europäische Gaskonferenz”. Den Auftakt machte eine Gruppe von 40 Aktivist*innen am 26.03. Sie blockierten über mehrere Stunden den Zugang zum Privatjet-Terminal es Flughafen Wien und sorgten so dafür, dass der Flugverkehr und somit die Anreise mit Privatjets von Bonzen gestört wurde.

Daran schlossen sich am Montagmorgen Proteste in der Innenstadt an. Der lila und der goldene Finger machten sich auf den Weg zum Marriot Hotel, um den Protest direkt zu denen zu tragen, die an der neokolonialen Ausbeutung im globalen Süden und der Klimakatastrophe maßgeblich beteiligt sind.
Der lila Finger schaffte es auf den Wiener Ring. Erst dort konnte er von den Wiener Bullen aufgehalten und gekesselt werden. Nach einer Sitzblockade durften die Aktivist*innen als Demozug durch die Stadt gehen und passierten dabei auch den Goldenen Finger. Für diesen verlief der Tag nicht ganz so reibungslos.

In der Wiener Johanngasse wurden die Aktivist*innen von der Staatsgewalt mit Pfefferspray, Gummiknüppeln, Schlägen und Tritten aufgehalten und schließlich eingekesselt. Auch eine Hundestaffel kam zum Einsatz. Die Wiener Cops wollten die Bonzenkonferenz im Marriot Hotel verteidigen, koste es was es wolle. Nach gut einer Stunde wurden die Aktivist*innen des Goldenen Finger ein weiteres mal von den Bullen mit Pfefferspray und Tritten angegriffen. Die Aktivist*innen saßen in der Falle und konnten nun nicht mehr machen als warten. Als die Rettungsdecken ausgepackt wurden, wurde der Goldene Finger seinem Namen wirklich gerecht. Es wurden Lieder und Rufe angestimmt und durch kollektives Rufen der Wunsch danach geäußert, ebenfalls als Demozug gehen zu dürfen. Parallel begann man vereinzelnd Aktivist*innen (teils unter Anwendung von Gewalt) aus dem Kessel zu entfernen unter dem Vorwand von “Versuchter schwerer Körperverletzung”, “Versuchtem Widerstand gegen die Staatsgewalt” und “Schwerer gemeinschaftlicher Gewalt” zu verhaften und in das “Polizeiliche Anhaltezentrum” (kurz PAZ) in Wien zu bringen.

Am Ende des Tages sollte in der Presse stehen, dass 143 Menschen verhaftet wurden.
Die Bullen schrieben in ihrer Pressemitteilung dass Steine in Zelten von Aktivist*innen gefunden wurden.
Wir fragen uns bis heute noch, welche Zelte sie meinen, denn ein Protestcamp oder ähnliches hatte es nie gegeben.

Die Geschichten und Erfahrungen der Aktivist*innen aus dem PAZ waren unterschiedlich, aber glichen sich doch in einem Punkt – der Willkür der Bullen. Menschen wurden über Stunden in den PAZ-Wägen sitzen gelassen, die als mobile Zellen genutzt wurden. Auf ihr Notrufklingeln, Klopfen und Schreien nach Hilfe und Toilettendrang wurde nicht reagiert. Dabei standen die ganze Zeit Bullen rauchend und quatschend neben den Wannen. Manche Aktivist*innen mussten sich bei der Durchsuchung komplett nackt machen oder wurden unter Anwendung von Zwang dazu gebracht sich auszuziehen. Den meisten wurde der Grund der Festnahme nicht genannt oder ihnen wurden die ihnen rechtlich zustehenden Telefonate versagt. Wieder andere durften nicht mit ihren Anwält*innen reden und manche erfuhren erst nach ihrer Haft davon, dass überhaupt solidarische Anwält*innen vor Ort waren.
Über Stunden wurde manchen Menschen medizinische Hilfe oder Schmerzmittel verweigert. Drückte man den Rufknopf um eine Frage zu stellen, so erhielt man ein knappes “Keine Ahnung.” oder “Da müsst ihr mit den Polizisten draußen reden.” (wie auch immer das hätte gehen sollen…) bevor der Hörer im Überwachungsraum neben die Anlage gelegt wurde und man so über Stunden nicht nochmal mit den Wärter*innen in Kontakt treten konnte. “Ihr seids nur zum fressen und zum scheißen hier.” sagte ein Bulle zu einer Aktivistin. Die Liste solcher Geschichten ist extrem lang und zeigt wieder einmal, wie der Staat und seine Exekutive versuchen, die Klimagerechtigkeitsbewegung zu demoralisieren und zu kriminalisieren. Beim PAZ-Support waren gerade in den frühen Abendstunden viele Menschen versammelt und auch über die 48h, für die Aktivist*innen in Haft saßen, waren immer Menschen da, die den Entlassenen emotionale Unterstützung, eine warme Tasse Tee und Essen bereit hielten.

Doch unsere Solidarität ist stärker als die Fesseln des Staates. Lasst uns also die von Repression betroffenen Aktivist*innen unterstützen! (https://rotehilfe.wien/unterstuetze-die-von-repression-betroffenen-aktivistinnen-von-blockgas/) Die Inhaftierungen der 143 Aktivist*innen war noch nicht das Ende der Gaskonferenz.
Am Dienstag gingen die Aktionstage weiter und in den frühen Morgenstunden erreichten der rote und der orange Finger ihr Ziel: Eine Ölraffinerie von OMV, des Hosts der europäischen Gaskonferenz. Die Zufahrtsschienen und das Werkstor wurden blockiert. Anders als am Tag zuvor waren die Cops ruhig, fast schon zurückhaltend. Es wurden zwar 2 Menschen festgenommen, doch diese kamen noch am gleichen Tag wieder auf freien Fuß.
Ganze 12 Stunden haarte der orangene Finger auf den Gleisen und in leeren Waggons bei Minusgraden aus, bei Schnee, Regen und Hagel. Dabei schauten ihnen etwa 20 Cops aus weiter Entfernung zu.
Nachdem die Blockaden dann selbst bestimmt wieder aufgelöst wurden, bewegten sich die beiden Finger zurück nach Wien und schlossen sich der Großdemonstration an. Dort konnte dann auch endlich die Frage geklärt werden, wo die ganzen Bullen den Tag über eigentlich waren: Die 5500 Menschen starke Demonstration wurde von einem massiven Polizeiaufgebot aus Einheitshundertschaften, Wasserwerfern und Hundestaffeln begleitet. Doch die Demo selbst ließ dies unbeeindruckt.

Was bleibt sind kämpferische und inspirierende Erinnerung der letzten Tage und das Fazit eines politischen Erfolgs.
Es waren nicht nur die 5500 Menschen auf der Großdemonstration die einen motivieren, es ist auch das Wissen darum, dass die “Europäische Gaskonferenz” in die Öffentlichkeit gezogen wurde, war sie doch mehrere Jahre lang ein Hinterzimmertreffen von Gaskonzernen, Aktiengesellschaften , Politiker*innen und Lobbyist*innen. Es wurde Aufmerksamkeit in allen großen österreichischen Medien geschaffen. Diese berichteten auch kritisch über den Einsatz der Bullen.
Doch nicht nur das sind Erfolge die wir als Klimagerechtigkeitsbewegung verzeichnen können. Auch das Zusammenkommen, Vernetzen und voneinander lernen während der Konferenz ist ein politischer Erfolg und lässt uns kämpferisch auf zukünftige Proteste schauen.

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