Für einen Weg aus der Krise

Die Corona-Krise erschüttert weltweit Wirtschaft, Politik und das Leben fast aller Menschen. Durch diese Pandemie werden uns die Fehler der Wirtschaftsweise unserer Gesellschaft klar vor Augen geführt. Die folgenden Punkte sollen Vorschläge sein, eben genau diese Probleme anzugehen und notwendige Schritte aufzeigen, wie wir einerseits die Schäden minimieren und andererseits eine Grundlage für gesamtgesellschaftliche Veränderung herbei führen können. Das Dogma des Weiter-So muss auf Grund dieser Erkenntnisse beendet werden, anstatt ihm Grundrechte, Mitbestimmung und soziale Teilhabe auch noch zu opfern.

1) Bedingungsloses Grundeinkommen. Sofortige und unbürokratische finanzielle Absicherung aller Menschen in Deutschland, auch über den Zeitraum hinaus, in dem das Virus grassiert.

Viele Menschen sind aktuell von einem verminderten oder komplett weggebrochenen Einkommen betroffen. Dies betrifft nicht nur Solo-Selbstständige und Kleinunternehmer*innen, sondern auch Millionen Menschen die als Pauschalkräfte aufgrund der Pandemie entlassen wurden oder Festangestellte, die sich seitdem in Kurzarbeit befinden oder ihren Job verloren haben sowie illegal Beschäftigte beispielsweise im Pflegebereich und der Landwirtschaft. All diese (bisher) Beschäftigten sind jene, die seit jeher die ersten sind, welche über Nacht ihren Arbeitsplatz los sind, sobald die Wirtschaft einbricht und Unternehmen rote Zahlen schreiben oder Profite weiter maximieren wollen. Die Corona-Krise verläuft parallel zu einer sich seit Jahren ankündigenden Wirtschaftskrise und wird diese nun zuspitzen und beschleunigen. Arbeitnehmer*innen die heute noch und trotz Corona in Lohn und Brot stehen, deren Unternehmensführungen jedoch von seit Wochen fallenden Börsenkursen oder dem Außenhandel abhängig sind, könnten sich in geraumer Zeit ohne festes Lohneinkommen in einer Lage befinden, in der sie auf anderweitige Gelder angewiesen sind. Nicht um sich die schönen Dinge des Lebens zu beschaffen, sondern um schlichtweg die nötigsten Lebensmittel einzukaufen sowie Dinge des täglichen Bedarfs zu finanzieren, wie ihre Wohnung, den Strom oder Medikamente.

Die aktuellen sozialen Transferleistungen sind keine ausreichende Unterstützung und aufgrund ihrer bürokratischen Hürden nicht für alle Menschen gleich und vor allem nicht einfach zugänglich. Am härtesten sind auch hier diejenigen betroffen, die bereits am wenigsten privilegiert in unserer Gesellschaft sind.

Zusätzlich dazu wird die Antragsflut auf staatliche Hilfsleistung zu einer Überlastung der bearbeitenden Stellen führen. Eine unzureichende Digitalisierung und dafür notwendige Infrastruktur verkompliziert die Antragsstellung, insofern die dafür zuständigen Server überhaupt erreichbar sind bei den zu erwartenden enorm hohen Zugriffszahlen. Menschen ohne Internetzugriff oder gar PC und Drucker, stehen vor der Herausforderungen zum Amt zu gehen und sich dort erneut einer Vielzahl potentiell infizierter Menschen auszusetzen.

Alles in allem kann die Forderung hier nur eine sein:

  • Ein bedingungsloses und unbürokratisches Grundeinkommen ab sofort und für alle! Dieses kann die notwendige finanzielle Versorgung der Menschen gewährleisten, ohne, dass die oben angeführten Hürden eben jenes erschweren oder gar verhindern.

2) Pandemiezulage. Die sofortige und nachträgliche Einkommenserhöhung für Menschen, die im Gesundheitswesen und in Bereichen arbeiten, die ein erhöhtes Risiko haben an Corona zu erkranken.

Die Solidarität mit dem Pflegepersonal, Mediziner*innen und Ärzt*innen aber auch mit Verkäufer*innen und anderen Menschen die in Berufen arbeiten, welche täglich der erhöhten Gefahr einer Infektion ausgesetzt sind, ist weltweit enorm spürbar. Hier meinen wir insbesondere Doktor*innen, Notfallsanitäter*innen, Krankenpfleger*innen, Sozialarbeiter*innen, Menschen im Bereich der Kinderbetreuung, Verkäufer*innen und sonstige Angestellte im Einzel- und Großhandel sowie in den Apotheken und anderen notwendigerweise geöffneten Einrichtungen, ebenso Reinigungspersonal und Menschen die das Funktionieren der technischen Infrastruktur eben jener Einrichtung gewährleisten. Eben all jene, die keine Möglichkeit haben von zuhause aus, im “Home-Office”, zu arbeiten.

Von warmen Worten wird jedoch kein Essen und keine Miete bezahlt! Ohnehin befindet sich ein Großteil der, im Gesundheitswesen arbeitenden Menschen und über diesen hinaus – auch ohne Corona – seit jeher in einer prekären Lage: Eine unzureichende Personaldecke gepaart mit hoher Verantwortung und Überlastung Einzelner geht einher mit der deutlich zu geringen Bezahlung sowie den allgemein unsicheren Arbeitsverhältnissen und fehlender demokratischer Teilhabe am Arbeitsplatz.

Nicht nur aufgrund der aktuellen Ausnahmesituation, aber eben vor allem jetzt, lautet unsere Forderung:

  • Faire Bezahlung sowie entsprechend hohe Zulagen für geleistete Mehrarbeit sowie die Arbeit in Bereichen mit hohem Risiko einer Infektion!

3) Entprivatisierung des Gesundheitssektors und Erhöhung der Bettenkapazitäten.

Die Wertschätzung und materielle Entschädigung des medizinischen Personals ist das eine, das jahrelange Kaputt-sparen des medizinischen Sektors etwas anderes: Krankenhäuser funktionieren wie Fabriken. Sie sind am profitabelsten bei voller Auslastung ihrer Produktionsmittel (Betten, durchführbare Operationen, etc.) mit gleichzeitigem Niedrighalten aller dafür notwendigen Kosten (wenig Personal, niedrige Bezahlung der Angestellten, unbezahlte Mehrarbeit, etc.).

Die aktuellen Einschränkungen der Freiheitsrechte hierzulande sind auch Folge des kaputt-gesparten Gesundheitssystems und werden durch dieses auch weiter befeuert. Eine enorm erhöhte Zahl an Infizierten und ein Anstieg der, aufgrund der Corona-Pandemie zu behandelnden Menschen würde unweigerlich dazu führen, dass die vielen Betten in den Krankenhäusern rasch belegt und das Gesundheitssystem an seine absolute Funktionsgrenze gebracht werden würde. Die Gefahr, die für alle anderen entsteht, ist vor allem, dass das Gesundheitssystem mit der Bekämpfung bzw. Behandlung von Corona derart beschäftigt sein wird, dass Behandlungen vieler anderer Krankheiten oder Verletzungen zurückstehen wird. So können auch viele nicht vom Corona-Virus betroffene, sogar Nicht-Risikogruppen aufgrund des Virus in die unangenehme Situation kommen, dass erlittene Krankheiten oder Verletzung, die sich eigentlich behandeln ließen, einen tödlichen Verlauf nehmen. Schlicht und ergreifend deswegen, weil es einfach nicht mehr genügend Kapazitäten für eine fachgerechte medizinische Versorgung gibt.
Diese Entwicklung lässt sich bereits jetzt in Italien beobachten. Die mangelhafte Versorgung der Angestellten im Gesundheitssektor erscheint demgegenüber absurd, sind sie doch diejenigen, die tagtäglich Infizierten und damit der Gefahr einer Infektion ausgesetzt sind. Kaum vorstellbar was wäre, wenn mehr und mehr medizinisches Personal aufgrund der Pandemie erkrankt – zusätzlich zu möglichen, bestehenden Krankheitsbildern aufgrund von Überarbeitung und Stress im Beruf.

Wir fordern daher:

  • Entprivatisierung von Krankenhäusern!
  • Eine sofortige und rückwirkende Lohnerhöhungen für medizinisches Personal!
  • Die Aufstockung des Personals im Gesundheitswesen – flächendeckend!
  • Enteignung von Hotelanlagen und Umbau in medizinische Einrichtungen zur Pflege und Behandlung, falls vorhandene Kapazitäten bspw. im Bereich der Intensivbetten nicht ausreichen sollten!

4) Erlassung oder Stundung von Kreditraten, Hypotheken, Pachten und Mietzahlungen.

Die seit 2008 existente Immobilienkrise wird von der Corona-Pandemie nicht unterbrochen, im Gegenteil. Sie gewinnt an Stärke in dem Maße wie Einkommen der Mieter*innen und jener, die Kreditraten für ihre Immobilie abbezahlen, wegfallen. Es wäre absurd die Menschen vor die Wahl zu stellen, ob sie von ihrem verbleibenden Ersparten bzw. ihrem wenigen Arbeitslosen- oder Kurzarbeiter*innengeld nun ihre Mietzahlungen leisten bzw. Immobilienkredite weiterhin zurückzahlen oder eben notwendige Lebensmittel einkaufen, um nicht zu verhungern.

Dass Mieter*innen in Zeiten von Corona die Wohnung aufgrund von Mietrückständen nicht gekündigt werden darf, ist eine Notwendigkeit, welche auch die Bundesregierung nun beschlossen hat. Gelten soll diese Maßnahme allerdings nur zwischen dem 1. April und 30. Juni 2020. Unklar ist, was mit Menschen passiert, deren Wohnungen im März oder kurz vorher gekündigt wurden oder denen Mietschulden erst nach Ablauf dieses Zeitraums, aber in Folge dessen, entstehen. Ebenso ist fraglich, wie die Mietrückstände schließlich zurückgezahlt werden sollen. Vor allem auf Grund der sich zuspitzenden Wirtschaftskrise und dem Ausbleiben von Lohnzahlungen sowie dem Wegbrechen ganzer Arbeitsplätze während der Corona-Pandemie, werden die Mieter*innen finanzielle Schwierigkeiten wegen verminderter oder komplett fehlender Einkommen auch über die Zeit des grasierenden Virus hinaus haben.

Es muss gewährleistet werden, dass Menschen die während der Corona-Krise in Zahlungsschwierigkeiten geraten, auch danach weiterhin deutliche Erleichterungen im Bezug auf das Zahlen von Mieten oder Kreditraten erhalten oder diese weiterhin ausgesetzt werden.

Wir fordern in dem Zeitraum der Corona-Krise:

  • Eine komplette Aussetzung von Mietzahlungen, Kreditraten und ähnlichem!
  • Keine Wohnungskündigung aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten!

5) Die Aussetzung aller Zwangsvollstreckungsmaßnahmen aufgrund von Schulden.

Die enormen wirtschaftliche Turbulenzen haben auch besondere Auswirkungen auf Menschen, die bisher nicht in der Lage waren Schulden – egal aus welchem Grund – ihren Gläubiger*innen zurückzuzahlen. Eine Aussetzung von Maßnahmen der Zwangsvollstreckungen, nicht nur in Zeiten häuslicher Quarantäne und Isolation, sind längst überfällig.

Wir fordern:

  • Keine Zwangsvollstreckungsmaßnahmen im Zeitraum der Corona-Krise!

6) Die Regulierung des Verkaufs von Hygieneartikeln und Grundnahrungsmitteln.

Neben den auf Angst begründeten Hamsterkäufen, die zur unnötigen und gefährlichen Verknappung von allerlei Artikeln des täglichen Bedarfs führen können, werden Aufkäufe jener Produkte getätigt, die zum Ziel haben, jene Verknappung dafür zu nutzen, um mit eher niedrigpreisigen Artikel enorme Gewinne zu erzielen. Diese, aus kapitalistischer Sicht normale Handlung, ist nicht nur aus einem linksradikalen Standpunkt heraus völlig unethisch und bedarf einer Regulierung: Niemand darf aus der Not anderer Menschen Profit schlagen.

Derartige Aufkäufe essentieller Hygieneartikel und Lebensmittel sollen unterbunden und bereits getätigte vergesellschaftet werden, um sie insbesondere den medizinischen Einrichtungen sowie jenen mit karitativem Zweck, wie zum Beispiel der Tafel, zu zuführen.

Wir fordern:

  • Gewährleistung und Bereitstellung einer ausreichenden Menge an notwendigem Material wie Schutzbekleidung oder Desinfektion für all jene, die sich aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt sehen!
  • Marktregulierungen für Grundnahrungsmittel und Hygieneartikel

7) Amnestie.

Besonders in Gefängnissen und ähnlichen Einrichtungen, in denen eine Vielzahl an Menschen auf engstem Raum leben müssen, besteht ein erhöhtes Risiko der Ansteckung mit einem Virus wie dem aktuell grassierenden Sars-COVID-19.

Eine Vielzahl an Menschen sitzt aufgrund von Schwarzfahren, wegen Ladendiebstahls oder ähnlicher Banalitäten hinter Gittern. Dies führt dazu, dass viele dieser Einrichtungen unnötig überfüllt sind. Längst überfällig ist es, derartige Vergehen nicht mit Freiheitsentzug zu bestrafen, sondern deutlich milder. Es ist an der Zeit jene Nicht-Gewaltverbrecher*innen per Amnestie aus den Gefängnissen zu entlassen und dafür zu sorgen, dass jene ohne soziale Absicherung diese erhalten.

Wir fordern:

  • Amnestie für Menschen die wegen Vergehen wie Schwarzfahren oder Ladendiebstahls im Gefängnis sitzen

8) Beendigung der Notsituation aller Schutzbedürftigen und internationale Unterstützung

a) Beendigung der Obdachlosigkeit

Eine der am gefährdetsten Gruppen sind Menschen ohne Obdach. Es ist notwendig – auch außerhalb einer solchen Krisenzeit –, dass allen Menschen die Möglichkeit gegeben wird, in einer ausreichenden Unterkunft zu leben. Diese muss Sanitäranlagen, fließendes warmes Wasser, einen Strom- sowie Internetanschluss umfassen. Die Möglichkeiten sozialer Teilhabe von zuhause aus müssen gewährleistet sein, damit die notwendigen Maßnahmen zur Abstandseinhaltung problemlos(er) erfüllbar sind.

In Anbetracht tausender leerer Hotelzimmer und AirBnB-Wohnungen, ist es nur folgerichtig jenen Menschen die Möglichkeit einzuräumen, in diesen zu leben. Denn Eigentum verpflichtet. Ungenutztes Eigentum muss der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden, wenn diese den Bedarf danach hat.

b.) Evakuierung von Moria als Beispiel

Das Geflüchteten-Camp Moria auf der griechischen Insel Lesbos ist ein humanitäres Desaster. Auf einem Raum der für ca. 3.000 Menschen notdürftig geschaffen wurde, befinden sich 20.000 bis 25.000 Menschen. Mangelnde medizinische Versorgung, keine ausreichenden Möglichkeiten zur Grundhygiene sowie das Zusammenleben auf engstem Raum sind nicht erst seit Corona eine absolute Katastrophe für die dort Lebenden. Eine Ausbreitung des neuartigen Corona-Virus in einem solchen Camp hätte verheerende Auswirkung.

Dieses und andere Lager müssen unverzüglich evakuiert und die Menschen versorgt werden. Das bedeutet eine Bereitstellung einer sicheren und trockenen Unterkunft mit der Möglichkeit auf notwendige Privatsphäre einer jeden einzelnen Person. Ebenso die Anbindung an ausreichende medizinische Versorgung und die Möglichkeit am gesellschaftlichen Leben – auch in Zeiten von Corona – zu partizipieren. Eine zentrale Unterbringung in gängigen Sammelunterkünften lehnen wir daher ab. Deutschland hat genug Platz und genügend Leerstand.

Wir fordern:

  • Sichere Unterkünfte für alle – vor allem für Schutzbedürftige!

Entprivatisierung ist nicht genug, es bedarf Kollektivierung

Die Folgen der Corona Krise dürfen nicht auf dem Rücken der sozial Schwachen ausgetragen werden. Es gibt genug gesellschaftlichen Reichtum für alle, nur muss dieser eben auch gerecht verteilt werden. Es gibt ausreichend Wohnungen, Nahrungsmittel und Infrastruktur damit alle Menschen in dieser schweren Zeit aber auch darüber hinaus ein menschenwürdiges Leben führen können.

Gerade jetzt wird ersichtlich, dass jene, die sich als Krisenmanager*innen zu profilieren versuchen, im Wesentlichen zur Entstehung der Situation beigetragen haben. Die Privatisierung des Gesundheitswesens, großer Teile der Grundversorgung und der Ausverkauf kommunaler Immobilienbestände führten in den vergangenen Jahrzehnten zu immer größeren Profitmaximierung und Ausbeutung der Arbeitnehmer*innen. Der eigentliche Sinn gesellschaftstragender und gemeinnütziger Strukturen wird, ins Besondere beim Gesundheitswesen, ad absurdum geführt.

Für alle jene, die aufgrund kapitalistischer Notwendigkeiten heraus nun in Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit gedrückt werden oder sich in dieser bereits befinden, heißt es: Solidarisch sein! Lasst uns Verantwortung für einander übernehmen und auf einander aufpassen. In vielen Bereichen des Lebens organisieren sich Menschen selbst, helfen einander aus, halten zusammen. Gerade dort wo der autoritäre Staat versagt und seinen Bürger*innen keine Lösungen bieten kann, finden Menschen zusammen und bilden neue Formen des Zusammenlebens.

Lassen wir nicht zu, dass diese Krise zu einer noch autoritäreren Formierung der Gesellschaft und der weiteren Vereinzelung ihrer Individuen führt. Lasst uns aus den Fehlern dieser Gesellschaft lernen und der fortschreitenden Faschisierung der Gesellschaft eine positive Idee entgegensetzen.


Angelehnt an “What to do in case of fire? A serious situation requires radical solutions!” von Kolektiv 115

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