Ein Statement in eigener Sache

Über dieses Statement

Mit diesem Statement wollen wir Bezug nehmen auf verschiedene Vorwürfe und auf szeneinterne Gespräche, welche zuletzt häufig über uns geführt wurden, aber leider zu selten mit uns. Im letzten halben Jahr haben uns mal konkret und direkt, mal unkonkret über Dritte verschiedene Vorwürfe gegen unsere Gruppe erreicht, welche von mackrigen Verhalten, über Täterschutz bis hin zu Formulierungen wie, Zitat: “Abhängen mit Vergewaltigern” reichen. Wir haben alle diese Vorwürfe, ganz gleich wie sie uns erreicht haben, ernst genommen und seit Beginn des Jahres einen Prozess gestartet, um einen adäquaten Umgang damit zu finden.
Wir haben privat, gruppen- und szeneintern Vorwürfe und Vorfälle eruiert sowie gruppenintern Refelexionsprozesse und Debatten gestartet. Dieser ganze in Gang getretene Prozess ist auch nicht mit diesem Statement abgeschlossen. Mit dem folgenden Text wollen wir euch lediglich transparent machen, wo wir als Gruppe gerade stehen, wie wir die Vorwürfe und Anschuldigungen gegen unsere Gruppe sehen und wie wir damit umgehen.

Unser Selbstanspruch

Wir sehen uns als antifaschistische Gruppe mit einem anti-sexistischen und pro-feministischen Selbstanspruch. Es war stets Teil unseres Selbstverständnisses, dass wir den klassischen Antifaschismus nicht losgelöst vom Rest der systemischen und gesellschaftlichen Zustände betrachten, sonderen mit Blick über den Tellerrand auch andere Kämpfe supporten und zusammendenken. Wir sagen Nein zum Patriarchat, Nein zur Geschlechternormierung und Nein zur Benachteiligung und jeglicher Form von Gewalt gegen FLINTA* [1]. Diesen Selbstanspruch haben wir in der Vergangenheit sowohl durch inhaltliche Beiträge, als auch aktionistisch durch die Beteiligung und Initiierung von verschiedenen Aktionen untermauert.
Uns ist bewusst, dass Textbeiträge und Aktionen uns als Gruppe und als Individuen nicht freisprechen von Sexismen und anderen negativen, ansozialisierten Verhaltensweisen. Wir und alle unsere persönlichen Biographien sind Teil einer Gesellschaft, welche leider immer noch weit davon entfernt ist, emanzipiert zu sein. Insbesondere der männlich sozialisierte und sich als cis-männlich verstehende Teil unserer Gruppe hat patriarchale Verhaltensweisen verinnerlicht, welche es zu reflektieren und zu überwinden gilt. Diese Erkenntnisse sollen keinesfalls als Entschuldigung für negative Verhaltensweisen herhalten. Stattdessen müssen sie als ein Ausgangspunkt für die individuelle und gemeinsame, kontinuierliche Arbeit zur Verwirklichung unseres anti-sexistischen und feministischen Selbstanspruchs dienen.

Täterschutzvorwürfe

Was die schwerwiegenden Vorwürfe wie Täterschutz angeht, haben wir versucht, selbst zu eruieren, um welche Fälle es hier gehen könnte, da diese Vorwürfe nie direkt und konkret an uns herangetragen wurden. Wir haben verschiedene Fälle identifiziert, in denen Teile unserer Gruppe mit Personen, welche als Täter benannt werden, zusammengearbeitet haben oder befreundet sind. Da diese Fälle und der Umgang damit teilweise nicht der gesamten Gruppe bekannt waren, haben wir sie zunächst allen intern transparent gemacht und den Umgang mit den als Täter benannten Personen gemeinsam reflektiert.

In einem Fall sexueller Grenzüberschreitung, welcher mittlerweile einige Jahre zurückliegt, war der Täter ein ehemaliges Gruppenmitglied. Es wurden Gespräche mit ihm und seinem Umfeld geführt, ein kritischer Selbstreflexionsprozess angestoßen, und die Person konnte zu diesem Zeitpunkt kein Teil unserer Gruppe mehr sein. Zeitgleich haben wir versucht, die Betroffene solidarisch und an ihren Wünschen und Bedürfnissen orientiert zu begleiten und nach bestem Wissen zu unterstützen.
In einem zweiten Fall haben wir uns dafür entschieden, die politische Zusammenarbeit mit einer Täter-Person nur noch punktuell stattfinden zu lassen. Dieser Entschluss fiel in Absprache mit dem Unterstützer:innenkreis der Betroffenen. In beiden Fällen, wie auch allgemein, distanzieren wir uns ausdrücklich von jeglicher sexualisierter Gewalt. Wir haben nie bewusst versucht, solche Verhaltensweisen zu decken. In beiden Fällen wurde versucht, in Absprache mit der Betroffenen bzw. dem Unterstützer:innenkreis, einen für die Betroffenen und unsere politische Arbeit angemessenen Umgang zu finden.

Ein dritter Fall wird von Teilen unserer Gruppe im Rahmen einer anderen politischen Organisierung in Absprache mit dem Unterstützer:innenkreis der anklagenden Person aktiv aufgearbeitet. Unsere Gruppe wird diesbezüglich über den Stand der Diskussion in unregelmäßigen Abständen informiert. In diesem Fall müssen wir klar sagen, dass wir die Anklage anfangs nicht ernst genug nahmen. Das Verhalten war zunächst vor allem geprägt von mangelnder Unterstützung für die betroffene Person und durch fehlende Empathie in Bezug auf die Art und Weise, wie sie (bzw. die Unterstützer:innengruppe) ihre Vorwürfe öffentlich machte(n). Dieses Verhalten wurde gruppenintern kritisiert und kontrovers diskutiert. Unabhängig davon, wie wir im Einzelnen inhaltlich zu den geäußerten Vorwürfen stehen, so ist der Tatsache, dass sich FLINTA*-Personen in Fällen sexualisierter, patriarchaler und gewalttätiger Grenzüberschreitungen durch Cis-Männer an die Öffentlichkeit wenden, immer eine mutige Tat, die Respekt, Unterstützung und vor allem Gehör verdient. Hier haben wir falsch gehandelt.
Im Laufe der Zeit stellte sich für uns heraus, dass wir mit den uns zur Verfügung stehenden Informationen, kein Verhalten erkennen können, das uns dazu veranlassen könnte, die beschuldigte Person auszuschließen.

Daneben gibt es weitere, unkonkrete Vorwürfe, bei denen uns schlichtweg die Informationen fehlen, um sie zu diskutieren und einen Gruppenstandpunkt dazu entwickeln zu können. An dieser Stelle verweisen wir auf unsere Bitte am Ende dieses Statements, Vorfälle so transparent wie möglich direkt oder indirekt an uns heranzutragen.

Patriarchale Verhaltensweisen

Durch direktes Feedback von Gruppen im Rahmen der Eruierung von Vorwürfen gegen uns wurden vor allem mackriges Verhalten und dominantes Auftreten der Cis-Männer unserer Gruppe als Probleme in der Zusammenarbeit herausgestellt. Wann immer wir uns in der Vergangenheit euch gegenüber so Verhalten haben, bitten wir um Entschuldigung. Wir haben uns Strategien überlegt, um derartiges Auftreten in Zukunft zu vermeiden.
Wir sind aktuell eine Gruppe mit einem hohen Anteil an Cis-Männern, was wir selbst als problematisch ansehen. Auf der einen Seite, weil dadurch unsere Repräsentation nach außen sehr häufig eine rein männliche ist und auf der anderen Seite, weil die Quotierung der Außenrepräsentation für unsere FLINTA* eine erhebliche Mehrbelastung darstellen würde. Eine hohe Konzentration von Personen, die stärker vom Patriarchat profitieren, kann dominantes und patriarchales Verhalten zudem zusätzlich fördern. Gerade deshalb ist es die Aufgabe unserer cis-männlichen Mitglieder, sich stärker proaktiv und kritisch mit ihrem Verhalten auseinanderzusetzen und all die Dinge darin abzulegen, die Andere ausschließen und unterdrücken.
Dies sind nur einige Gründe, aus denen wir daran arbeiten, mehr FLINTA*-Personen in unsere Gruppe einzubinden und unsere Gruppe für diese attraktiver zu machen. Um auch gruppenintern gewaltfreier zu arbeiten, haben wir uns Methoden zur kontinuierlichen Selbstreflexion überlegt, uns externen feministischen Rat geholt und Workshops zur internen Weiterbildung in die Wege geleitet.

Ob diese Strategien erfolgreich sind, können wir am besten durch die beständige Evaluation unserer Prozesse, besondere Aufmerksamkeit für die Stimmen der FLINTA* innerhalb der Gruppe und das Feedback von anderen Gruppen, mit denen wir zusammenarbeiten, herausfinden. Auch deshalb haben wir uns dafür entschieden, die politische Arbeit nach außen auch neben unserem internen Prozess nicht ruhen zu lassen. Wo sie abhanden gekommen sein sollte, wollen wir in der politischen Praxis wieder zu einer offenen, ehrlichen und vertrauensvollen Zusammenarbeit finden. Wir bitten euch, Probleme direkt anzusprechen. Dazu könnt ihr uns jederzeit (auch annonym) kontaktieren. Falls die direkte Kommunikation mit uns eine Barriere darstellen sollte, ist diese auch über Kollum als vermittelnde Gruppe möglich. Kollum steht generell als Ansprechpartnerin bei Problemen mit sexistischen oder patriarchalen Verhaltensweisen zur Verfügung, hierhin könnt ihr euch auch bei Fällen wenden, die unsere Gruppe betreffen.

Fight together – against sexism and patriarchy

Was bleibt: Wir befinden uns in einem kritischen Prozess der Selbstrexion, welcher sicher nie abgeschlossen sein wird – oder sein darf. Doch nur zusammen und mit einer progressiven Diskussions- und Fehlerkultur können wir mit Vertrauen und gestärkt aus Rückschlägen und Fehlern hervorgehen.

Lasst uns zusammen kämpfen – für die Emanzipation!

[1] FLINTA* steht für Frauen, Lesben, inter-, nicht-binäre, trans- und agender-Personen, also Personen, denen bei Geburt nicht das männliche Geschlecht zugesprochen wurde und die sich damit identifizieren. Mit diesem Begriff werden Personen sichtbar gemacht, die aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität in besonderem Maße vom Patriarchat unterdrückt werden.

[2] Cis-gender bedeutet, dass die Geschlechtsidentität eines Menschen mit dem Geschlecht übereinstimmt, welches dieser Person bei der Geburt – aufgrund von optischen (Geschlechts-)Merkmalen zugewiesen wurde.


Allgemeiner Hinweis: Wenn ihr (sexualisierte) Gewalt erfahren habt, ihr diesbezüglich Unterstützung sucht, dann könnt ihr euch u.a. an folgende Anlaufstellen wenden:

Überregional:

  • Hilfe-Telefon gegen Gewalt an Frauen* (0800/0116016)

Dresden:

  • http://maedchenzuflucht-dresden.de/
  • https://www.frauen-ev-sowieso.de/beratung/fachberatung/
  • https://www.fsh-dresden.de/frauenschutzhaus/
  • https://sachsen.weisser-ring.de/
  • https://www.opferhilfe-sachsen.de/
  • https://www.dielinke-sachsen.de/2021/05/vertrauensperson-bei-sexualisierter-belaestigung-und-diskriminierung/

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